Dezember 2002: Die Eintragungen in dieses Tagebuch werden etwas seltener. Einerseits geht die Entwicklung eines vierjährigen Kindes in weniger aufregenden - oder sagen wir in geringer sichtbaren Schritten vorwärts, und Helene wurde im September schon 4 Jahre. Andererseits nähern wir uns immer mehr einem normalen Familienleben. Helene ist nicht mehr so auffällig ein ehemaliges Frühgeborenes. Sie ist zwar mit ihren 95 cm immer noch sehr klein für ihr Alter und gibt doch auch ein ziemliches Leichtgewicht mit ihren Schwankungen bis knapp 11 kg ab, aber man hat den Eindruck, dass Helene ihren Altersgenossen in nicht allzuviel nachstehen muss. Zumindest kann man erkennbare Unterschiede als Nichtmediziner nicht auf eine Frühgeburt zurückverfolgen. Motorischen Nachholbedarf kann man aus ihrer Grösse schliessen. Diesen Defiziten, das heisst kein Schlusssprung, kein ordentliches Treppensteigen (noch auf allen vieren, oder Nachstellschritt), komisch anmutende Bewegungen beim Rennen (wenn man das bei der resultierenden Geschwindigkeit Rennen nennen kann), versuchen wir durch Ergotherapie und Motopädie beizukommen, welche jeweils einmal wöchentlich besucht werden. Mit beiden aber - verstärkt über die Motopädie - versuchen wir auch einen Einblick in Helenes Gefühlsleben zu erlangen und es zu verstehen. Es scheint, als hätte sie wirklich Probleme in ihrer Sozialkompetenz, wie es für ehemalige Frühgeborene typisch sei. Es ist schwierig einzuschätzen, da wir der Meinung sind, dass sowieso jedes Kind anders ist und reagiert. Wer legt also fest, welches Sozialverhalten in welchem Alter normal ist?! Helene Spielt gern mit anderen Kindern und hat auch kein Problem, Anschluss zu finden. Sie spielt auch ausdauernd allein, wenn kein Kind da ist. Ihren Umgang mit Erwachsenen selektiert sie aber, und das nach unersichtlichen Prioritäten. Sie kann nicht so richtig unterscheiden zwischen gut gemeinten, meist auch humorvollen, oder ernsten manchmal zurechtweisenden Gesprächen. Helene reagiert auf Anweisungen und Aufforderungen manchmal gar nicht und manchmal mit plötzlichen Weinanfällen. Sie empfindet es als ungeheures Unrecht, wenn sie scheinbar nicht ernstgenommen wird. Das hat nichts damit zutun, dass sie ihren Willen vielleicht nicht bekommt. Sondern wenn man ihre Meinung oder Aussagen übergeht, sie scheinbar nicht wahrnimmt. Und man muss ihr gerade deshalb noch genauer zuhören, da sie trotz sehr guter Sprachentwicklung ihr Gefühlsleben kaum äußert. Helene teilt sich kaum mit, was ihre Befindlichkeiten betrifft. Selbst wenn sie wegen Schmerzen weint, kann sie nicht mitteilen wo und wie es wehtut. Über Ja-Nein-Fragen kommt man dann erst ans Ziel. Die Wachstumsschmerzen haben wir fast jeden Tag bzw. Nacht zu ertragen. Das Schlafbedürfnis ist immer noch sehr gering. Wenn Helene mal mittags schläft, kann man abends um so länger warten. Aber ein Morgenmuffel ist sie nie. Helene sagt schon Bescheid, wann der Tag beginnt (meistens 6.30 Uhr). Das Essen bringt immernoch die alte Leier. Wenn sie denn schon mal normal viel isst, dann können wir drauf warten, ca. 14 Tage später hat Helene Fieber und ist krank. Ihre gesamte Gesundheit ist besser geworden. Weniger Infekte und nicht mehr so intensiv. Wir wissen, für manche mag es ominös klingen und uns erscheint es auch noch sehr utopisch und wir können es uns aus wissenschaftlicher Seite nicht erklären, aber man versucht ja alles mögliche. So haben wir eine Bioresonanzuntersuchung auf Allergien probiert. Haben dann die herausgefundenen Allergien (Huhn, Ei, Hausstaubmilben, Darmpilze, Formaldehyd, Natriumclorid) wiederum mit Bioresonanz abschwächen lassen. Ausserdem haben wir Helenes Kinderzimmer (welches das Formaldehyd beinhaltete) vollständig durch allergiefreie Möbel ausgetauscht. Man kann sagen, was man will, die Lunge scheint besser zu sein. Wir inhalieren weniger regelmässig. Irgendwas hat sich getan. Zur allgemeinen Entwicklung: Helene spricht sehr deutlich und flüssig. Sie drückt sich sehr gut aus. Lustig wird es immer, wenn sie aus unerfindlichen Gründen todernst zusammengesetzte Wörter verdreht. Sie spricht dann zum Beispiel von Zehfussen statt Fusszehen. Im Moment hat sich in ihrem Kopf manifestiert, dass der Weihnachtsbaum Otannebaum heisst (aus dem Lied Oh Tannenbaum) Sie hat sehr viel Gefallen an Musik, dafür weniger am Malen. Ihr Interesse an Zahlen und damit am Zählen hält sich in Grenzen. Seit Sommer hat sie Ohrringe, und sie wird im Gesicht auch immer mädchenhafter. Ihre Haare werden auch langsam (sehr langsam) zu einer Frisur.
Juli 2003: Unseren Urlaub auf Rügen mussten wir trotz Bombenwetter eher abbrechen. Helene bekam trotz intensiven Inhalieren keine Luft mehr. Atemnot, Einziehungen bis zum Erbrechen. Arztbesuch beunruhigte den dort ansässigen Arzt so sehr, dass wir noch eine Kinderärztin im Krankenhaus Bergen aufsuchen mußten. Dort waren die Beschwerden wie weggeblasen. Als wir zu hause waren wurde Helene von ihrer Kinderärztin untersucht. Hier wurden wieder Allergien festgestellt und Pollenallergien vermutet. Letzteres wird im Juni 2004 genauer untersucht. Sonst besuchen wir nur noch Ergotherapie (da Mamas Arbeitszeiten kaum noch Spielraum bieten). Inhaliert wird wenn nötig. Dieses Jahr fällt auf, je heisser, desto schlechter die Atmung.
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